Chotas Traum

2009 haben die Vereinten Nationen zum ersten Mal den World Humanitarian Day eingeführt. Seitdem wird jedes Jahr am 19. August den Menschen gedacht, die ihr Leben dafür nutzen, sich für andere einzusetzen. So wie Edwin Chota, der sein Leben geopfert hat für die Anerkennung der Landrechte seiner Asháninka-Gemeinde in Peru.

von Yvonne Bangert; Foto: Tomás Muñita/International Rivers/Flickr

„Wir befinden uns schon seit langem in Gefahr. Wissen Sie, das sind Holzfäller, sie sind bewaffnet, sie haben alle Mittel und sie werden nie das tun, was wir ihnen sagen. Wir wissen, wer sie sind und wie sie handeln. Deshalb brauchen wir jetzt Institutionen, die sich um die Sicherheit in diesem Grenzgebiet kümmern. Aber leider gibt es keine Grenzpolitik, die wirklich unseren Rechten als ursprüngliche Bewohner dieses Ortes Geltung verschaffen würde“, sagte Edwin Chota.

Vor drei Jahren haben wir, die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), von Chotas lebensgefährlichem Kampf um die Existenz seiner Asháninka-Gemeinschaft in Peru erfahren. Vergangenes Jahr hat ihn sein Engagement das Leben gekostet. Illegal arbeitende Holzfäller haben ihn und drei weitere Angehörige seiner Gemeinschaft am 1. September 2014 im Regenwald zwischen Peru und Brasilien ermordet.

Yvonne Bangert, GfbV-Referentin für indigene Völker, spircht im Interview über den Mord an Edwin Chota.

Edwin Chota wurde 1960 im peruanischen Bundesstaat Ucayali geboren. Er war der führende Kopf der Asháninka von Saweto und Träger ihres Kampfes um die Anerkennung ihrer Landrechte. Illegal tätige Holzfäller und Holzhändler sind in Chotas Gemeinde Saweto an der Grenze zu Brasilien umtriebig. Drogenschmuggler suchen hier neue Transportwege für Kokain durch den Regenwald nach Norden. Sie alle wollen verhindern, dass die Asháninka einen offiziellen Titel für ihr Land erhalten. Denn damit könnten die Indigenen es sehr viel besser vor der Abholzung und vor unerwünschten Eindringlingen schützen. Ohne Chota, so die Logik der Mörder, würden die Asháninka von Saweto aufgeben. Also sollte er verschwinden. Zuerst wollte man ihn bestechen, damit er seine Leute im Stich lässt – ohne Erfolg. Dann bekam er Morddrohungen: „Ich fühle mich bedroht, wenn ich auf dem Fluss unterwegs bin“, sagte er 2012. „Wenn uns etwas zustößt, würde es Tage dauern, bis jemand etwas merkt.“ Saweto liegt am Oberlauf des Tamaya-Flusses und grenzt an die Asháninka-Gemeinde Apiwtxa in Brasilien. Dort suchte Chota wegen der Morddrohungen bereits mehrfach Zuflucht. Dorthin war er auch Anfang September unterwegs, um mit den brasilianischen Asháninka über gemeinsame Initiativen gegen Holzfäller und Drogenschmuggler zu beraten.

Im April 2013 war er aus seinem brasilianischen Exil nach Peru zurückgekehrt, bemühte sich um die Beschlagnahme von Hunderten illegal gefällten Baumstämmen. Bei der Staatsanwaltschaft zeigte er den Holzhändler Hugo Sorio Flores an, weil der ihm mit dem Tod gedroht hatte. „Irgendjemand aus Saweto wird sterben“, sagte Flores damals zu Chota, „und dich werde ich als Drogenschmuggler denunzieren.”

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Edwin Chota 2011, der mit einem Gewehr in der Hand einen Weg im Regenwald in der Nähe der Saweto-Gemeinde entlang läuft.

Diego Leal und David Salisbury, Professor für Geografie, die beide eng mit Edwin Chota zusammengearbeitet haben und ihn im Kampf um die Existenz seiner Gemeinschaft Saweto unterstützten, beschrieben ihn in ihrem Nachruf in der Huffington Post so: „Chota träumte von einem Waldland an der Grenze im Amazonasgebiet, wo die indigenen Einwohner im Einklang mit der Vielfalt des Lebens existieren können. Er hatte die Vision von einer neuen Generation junger Familien, die im Frieden leben und andere Grenzbewohner lehren, wie man den Wald gleichzeitig nutzen und schützen kann. Chotas Traum war ein Saweto als indigene Modellgemeinschaft, die den Weg zu einer nachhaltigen Nutzung des Amazonasgebietes weist. Kurz vor seiner Ermordung bereitete Chota eine Klage vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte um die Anerkennung seiner Gemeinschaft und gegen die illegalen Holzfäller vor. Er wollte die Jugend von Saweto hoffnungsvoll stimmen und einigen. Er war zugleich Vater, Führer seiner Gemeinschaft, Umweltschützer und Verteidiger indigener Rechte auf internationaler Ebene. Jede dieser Funktionen erfüllte er mit unglaublichem Mut, Hingabe und Überzeugung.“

Edwin Chota selbst sagte einmal:

„Man muss für ein Ziel arbeiten, das über die kommenden Jahre hinaus weist. Wir wandern und reisen durch den Wald, weil wir wollen, dass man beides ohne Gefahr und ohne Gewalt auch in 50 oder 100 oder sogar 500 Jahren noch immer tun kann. … Die Führer von heute werden eines Tages fort sein. Aber unser Traum wird leben, solange wir die Voraussetzungen schaffen für die Kinder, die uns nachfolgen.“

Dieser Artikel erschien in unserer Zeitschrift „pogrom – bedrohte Völker“ Nr. 283, 4/2014. Für den World Humanitarian Day haben wir ihn leicht verändert und kostenlos auf unserem Blog abgedruckt.

[Zur Autorin]

YVONNE BANGERT ist seit mehr als 30 Jahren für die GfbV in Göttingen tätig, zunächst als Redakteurin der Zeitschrift “pogrom“ und der Internetseiten, seit 2005 als Referentin für indigene Völker.

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